Einführung in das Erbrecht

 

1. Allgemeines

Das Erbrecht wird in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet. Es beinhaltet das Recht, sein Privateigentum
grundsätzlich beliebig weiterzugeben. Grundsätzlich gilt die so genannte „Privaterbfolge“, d.h. der Staat

ist – abgesehen vom Erhalt der Erbschaftssteuer - nicht an der Erbschaft beteiligt, Ausnahmen hiervon 

sind § 1936 BGB oder eine Einsetzung des Staates „als Erben“ durch den Erblasser. Als Grundsätze des

Erbrechts können die Testierfreiheit und die Universalsukzession genannt werden, typisch ist jedoch

auch die Formstrenge und die Höchstpersönlichkeit.

 

Universalsukzession (im Gegensatz zur Singularsukzession, die nicht möglich ist) heißt, dass das Vermögen

des Erblasser – das positive (§ 1922 BGB) sowie auch das negative Vermögen (§ 1967 BGB) – nur als

Ganzes auf den Erbenübergehen kann, man spricht auch von Gesamtrechtsnachfolge (im Gegensatz zur

Sonderrechtsnachfolge).

 

Bsp.: Das bedeutet  nicht nur das Haus des Erblasser wird geerbt, sondern auch die auf dem Haus liegenden

Schulden. Weiter darf man sich nicht einzelne Gegenstände aus dem Nachlaß „rauspicken“, sondern auch ein

 „spärlicher, rostiger“ Benzintank muss übernommen werden. „Wer erbt kann sich freuen“ ist daher nicht immer

richtig.

 

Hinweis: Sind die Schulden des Erblassers höher als sein Vermögen, so kann das Erbe auch ausgeschlagen

werden oder die Haftung des Erben für die Schulden begrenzt werden (im Wege der so genannten Nachlaßinsolvenz).

Vor jedem Erbfall ist daher zunächst zu untersuchen, ob sich eine Annahme der Erbschaft lohnt. Wird beispielsweise ein

kontaminiertes Grundstück vererbt, so kann die Annahme der Erbschaft verheerende Kostenfolgen nach sich ziehen,

wenn eine Altlastenbeseitigungsanordnung gegen den Erben ergeht.  

 

 

2. Rechtsquellen des Erbrechts

 

a. §§ 1922-2385 BGB

Das Erbrecht ist im größtenteils im 5. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt, §§ 1922-2385 BGB.

Aber auch andere Vorschriften haben Bezug zum Erbrecht:

 

b. Sonstige Vorschriften des BGB

● § 1371 BGB für die Zugewinngemeinschaft, bzw. § 1482 S. 1 BGB für die Gütergemeinschaft

● § 857 BGB – Besitzübergang auf den Erben (zum Schutz vor Eigentumsverlust durch gutgläubigen Erwerb)

● § 1089 BGB – Nießbrauch an der Erbschaft

● § 1061 BGB – Unvererblichkeit des Nießbrauchs

● § 311b Abs. 4 BGB - Nichtigkeit eines Vertrages über den Nachlass eines noch lebenden Dritten

● § 330, 331 BGB – Vertrag zugunsten Dritter mit Leistung nach dem Todesfall

● §§ 470, 473 BGB

● § 563 BGB – Eintrittsrecht des Erben bei Tod des Erblassers als Mieter

● § 563a BGB – Fortsetzung mit überlebenden Mietern

● § 727 Abs. 1 BGB – Auflösung der GbR bei Tod eines Gesellschafters, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts

anderes vorgesehen ist

● §§ 2147 ff. BGB – Vermächtnis

● §§ 2303 ff. BGB – Pflichtteilsanspruch

 

c. Aus dem Handelsgesetzbuch (HGB)

§ 22 HGB – Vererblichkeit der Firma

● § 27 HGB – Haftung der Erben eines Kaufmanns

● § 52 Abs. 3 HBG – Fortbestehen der Prokura

● §§ 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 161 Abs. 2 HGB – beim Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters

kommt es grundsätzlich nicht zur Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft (OHG oder KG).

 

d. Sonstige Vorschriften

● § 27 ZPO – ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand

● § 778 ZPO – Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme (bzgl. Verbindlichkeiten des Erben oder aber

Ansprüchen gegen den Nachlass)

● § 178 f. ZVG – Nachlassinsolvenzverfahren

 ● Art. 227 EGBGB – Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 16. Dezember 1997

● Art. 235 EGBGB – Übergangsvorschriften für das Gebiet der ehemaligen DDR

 

3. Begrifflichkeiten

 

Als Erbfall bezeichnet § 1922 Abs. 1 BGB den Tod einer natürlichen Person, wobei unerheblich ist, ob tatsächlich

ein Vermögen ist.

Das Vermögen des Erblassers (also desjenigen, der verstirbt) wird Erbschaft genannt. Dazuzählen nicht nur geldwerte

Güter, sondern alle vermögensrechtlichen Positionen.

Ein weiterer Begriff im Erbrecht ist die Erbfähigkeit, also die Fähigkeit, Erbe zu sein. Sie ist zumindest dann gegeben,

soweit Rechtsfähigkeit besteht. Fehlt die Rechtsfähigkeit, so liegt Erbfähigkeit in den gesetzlich angeordneten Ausnahmefällen

dennoch vor. Insgesamt ergibt sich daraus folgende

Übersicht zur Erbfähigkeit:

Erbfähigkeit aufgrund von Rechtsfähigkeit

Erbfähigkeit aufgrund gesetzl. Anordnung

natürliche und juristische Personen

gemäß §§ 124 Abs. 1, 161 HGB sind auch OHG und KG erbfähig

 

gemäß § 1923 II BGB ist der bereits erzeugte, aber noch nicht geborene Mensch (=nasciturus) erbfähig

Hinweis: Vorverlegung der Rechtsfähigkeit*

 

Gemäß § 84 BGB ist die noch nicht rechtsfähige Stiftung erbfähig

Hinweis: Vorverlegung der Rechtsfähigkeit*


           * bei einer Vorverlegung der Rechtsfähigkeit liegt Erbfähigkeit nur dann vor, wenn die

            Rechtsfähigkeit später auch wirklich erlangt wird.

 

Bsp.: Der Nasciturus, der tot geboren wird, ist kein Erbe, da er nie rechtsfähig  gewesen ist.

               Er wird erst zum Erbe, wenn er lebend geboren wird.

 

Hinweis: Dem Zeitpunkt des Erbfalls kommt im Erbrecht eine erhebliche Bedeutung zu.  Folgender Fall

sei zur Verdeutlichung analysiert: Bei einem Autounfall kommt ein Ehepaar ums Leben. Dieses

hatte miteinander zwei Kinder, der Mann zusätzlich aus erster Ehe noch ein weiteres Kind. Das Nachlaßgericht

hat genau –  durch ein medizinisches Gutachten etc. – zu ermitteln, welcher der beiden Ehegatten als erster

gestorben ist, auch wenn der Tod beim einen oder anderen auch nur eine einzige Sekunde früher eintrat, denn auf

die Frage, wer was erbt, hat das erhebliche Auswirkungen: 

● Ist beim fraglichen Unfall die Ehefrau eine Sekunde vor dem Mann gestorben, dann konnte sie den Mann nicht

mehr beerben, weil erben nur derjenige kann, der zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt. Das Vermögen des Mannes erben

 dann das Kind aus erster Ehe und die beiden Kinder aus zweiter Ehe zu jeweils 1/3.  

● Hat die Ehefrau den Ehemann aber um eine Sekunde überlebt, dann hat sie zunächst ihren Mann beerbt, und zwar zu

einem 1/4. Haben die Ehegatten in Zugewinngemeinschaft gelebt, dann bekommt sie sogar die Hälfte. Nur die zweite Hälfte

wird dann zwischen den drei Kindern jeweils gedrittelt, so dass die Kinder den Vater nur zu 1/6 beerben. Die von der Mutter

 für eine Sekunde geerbte zweite Hälfte wird dann nur den beiden Kindern aus der zweiten Ehe vererbt, da die Mutter mit

dem Kind aus der ersten Ehe ja nicht verwandt ist.

● Abwandlung: Wenn im obigen Beispiel die verstorbene Ehefrau schwanger war, und das Krankenhaus es schafft, durch künstliche Aufrechterhaltung des Kreislaufs der bereits verstorbenen Mutter das Kind noch zur Welt zu bringen, wird dieses Kind Erbe sein,

§ 1923 Abs. 2 BGB.

 

Hinweis: Oftmals verfassen Großväter Testamente, in denen sie ihr Vermögen noch ungeborenen Enkeln vermachen, (um dadurch einen

Anreiz für ansonsten zeugungsunlustige Familienmitglieder zu schaffen). Stirbt der reiche Opa und war der Enkel bereits gezeugt, dann

erbt er, sobald er auf die Welt kommt.